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29.5.2004
Erste Bilderberger Konferenz
Vor 50 Jahren
Von Richard Schroetter

Politik wird nicht nur in Kabinetten und in Parlamenten gemacht. Bevor politische Themen am Kabinettstisch verhandelt werden, sind sie zumeist abseits der Öffentlichkeit schon durchdacht und besprochen worden. Es gab und gibt zahlreiche Zirkel, in denen vorgedacht wird, was dann zur Politik gemacht wird. Eine der exklusivsten Runden, die großen Einfluss auf die Strategien der westlichen Allianz hatte, ist die Bilderberger Konferenz mit prominenten Diplomaten, Ökonomen und Politikern. Vor 50 Jahren, am 29. Mai 1954, fand die Bilderberger Konferenz erstmals statt.

Drei Tage dauert die Prozedur, eine Art Brain-storming über die wichtigsten aktuellen weltpolitischen Fragen. Dann treffen sich rund 120 Reiche und Einflussreiche aus Europa und den USA scheinbar privat zu einem informellen Meinungsaustausch. Das Meeting heißt nicht Wiener Kongress, bei dem alle im Dreivierteltakt tanzten, sondern schlicht Bilderberg-Konferenz.

Die Tagung erhielt ihren Namen nach dem ersten Treffen, das im Mai 1954 im Hotel Bilderberg im holländischen Oosterbeck bei Arnheim abgehalten wurde. Sehr hohe Herren diskutierten hinter verschlossenen Türen über die NATO, den Warschauer Pakt, die Zukunft Europas. Die Presse war ausgeschlossen - ein Protokoll wurde bewusst nicht geführt. Die erste offizielle Konferenz der Bilderberger fällt in die Zeit des Kalten Krieges.

Krysmanski: Das ist ja in den Fünfzigerjahren gegründet worden, dieses Bilderberg-Ding, damals gab´s ein großes Problem, nämlich in den USA in den Fünfzigern hatten wir eine sehr - fast wie heute - konservative Revolution, wir hatten den McCarthy, eine Abkehr auch, den Tendenzen des Isolationismus auf hohem Niveau in den USA, und da gab es auf beiden Seiten des großen Teiches ein Interesse, diese transatlantische Spaltung sich nicht realisieren zu lassen.

So der Münsteraner Soziologe Prof. Hans-Jürgen Krysmanski. Initiator der Bilderberggruppe, die sich seit 1956 Bilderbergkonferenz nannte, war der Pole Joseph H. Retinger, ein politischer Flüchtling, der in Großbritannien lebte und dort im Zweiten Weltkrieg mit der polnischen Exilregierung zusammengearbeitet hatte Er stand in dem Ruf, jederzeit ein Treffen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten arrangieren zu können. Retinger fürchtete damals, in einem noch uneinigen vom Zweiten Weltkrieg ausgebluteten Europa "besonders die wachsende kommunistische Bedrohung".

Krysmanski: Da waren gerade Mitglieder der Exil-Community gerade aus Polen daran interessiert, eine transatlantische Brücke zu bauen, und das war das ganz spezifische Interesse dieses Kommunikationsmanagers Retinger.

Retinger, die "graue Eminenz" hinter den Kulissen, fand schnell prominente Partner für seine Mission: Prinz Bernhard der Niederlande, der bis zu seiner Verwicklung in den Lookheed-Bestechungsskandal 1976 den Vorsitz führte, Paul van Zeeland, den damaligen belgischen Premierminister und Paul Rijkens von UNILEVER.

Retinger plante eine geheime Konferenz, an der die wichtigsten Mitglieder der NATO teilnehmen sollten. Hinter verschlossenen Türen sollte offen und frei über internationale Affären diskutiert werden dürfen. Der langjährige Sekretär Retingers, John Pomian erinnert sich,

dass die alles entscheidende Auswahl der Teilnehmer während der ersten drei bis vier Jahre eine delikate und schwierige Aufgabe war. Dies galt vor allem hinsichtlich der Politiker. Es war nicht einfach, Personen in Spitzenpositionen zur Teilnahme zu überzeugen. Aber Retinger zeigte großes Geschick und eine unheimliche Fähigkeit, Personen auszusuchen, welche einige Jahre später Spitzenpositionen in ihren Ländern antraten. [...] Heute sind es nur wenige Schlüsselpersonen innerhalb der Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks, die nicht zumindest eine Konferenz besucht haben, [...] jeder Teilnehmer ist geschmeichelt, eine Einladung zu erhalten.

Krysmanski: Was interessant ist und gerade auch beim Bilderberg-Club, ist, dass eigentlich im Kern eine Gruppe von Menschen auftaucht, die sonst in der Politik und der Öffentlichkeit nicht so sichtbar wären, und das sind die Reichen, ich würde auch sagen, die Superreichen, das große alte Geld, das taucht im council of foreign relations auf, taucht im Bilderberg-Club auf, um diese Gruppe der Superreichen sortiert sich ein Kreis von Wirtschaftsführern, Managern, Wissenschaftlern, Medienleuten usw. - alles das ist zentriert um die Gruppe der Geldmächtigen.

Ein paar Namen: Giovanni Agnelli, Königin Beatrix, Bill Clinton, Lynn Forester, König Carl Gustav von Schweden, Henry Kissinger, McNamara, Richard Perle, David A. Rockefeller, Sir Lord Robertson, Sir Evelyn de Rothschild, - aus dem deutschsprachigen Raum Josef Ackermann, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, Helmuth Kohl, Hilmar Kopper, Volker Rühe, Rudolf Scharping, Axel Springer oder Christoph Bertram von der ZEIT, der zum Lenkungsausschuss der Bilderberg-Konferenzen gehörte.

Die geballte Präsenz von Leadership und Kapital, die Geheimhaltungspflicht, die 1995 aufgegeben wurde, hat die Bilderberger-Konferenz - besonders innerhalb der Linken - in den Ruf gebracht, eine Weltverschwörung der Mächtigen zu sein, eine antikommunistische Allianz zwischen amerikanischen und europäischen 'Schatten-Regierungen'.

Krysmanski: Ich meine, diese Gruppen waren immer Gegenstand von Verschwörungstheorien, von rechts und links, die einen haben gesagt, das Council of foreign relations ist eine kommunistische Verschwörung, die anderen haben das Gegenteil gesagt, von daher sind das ja gerade Gruppierungen, Zusammenkünfte, auf denen offen alle Richtungen, zumindest soweit der Horizont der Herrschenden reicht, zumindest diskutiert worden ist.

Die Effizienz der Bilderbergkonferenz beruhte lange darauf, dass sie sich unnütze bürokratische Umwege ersparte. Die geladenen Gäste kommen als Privatpersonen und nicht als Bevollmächtigte oder Repräsentanten.

Krysmanski: Etwas was sozusagen zur Politik gehört, es gibt eben nicht nur die formalen staatlichen u. demokratischen Institutionen, es gibt immer auch in jeder Partei eine Oligarchie, einen kleinen inneren Zirkel, der auch hinter verschlossenen Türen, der auch, wenn man so will intrigenmäßig operiert, und das was eben den Bilderberg-Club auszeichnet, ist, dass hier die höchste Stufe von informeller Strategie und Selbstverständnisentwicklung erreicht ist.

Die Weltpolitik hat sich inzwischen gewandelt. Die transatlantischen Beziehungen unterstehen Schwankungen. Auch ist die Bilderberg-Gruppe bejahrter geworden - hat Konkurrenz bekommen - sie ist eine unter vielen informellen Gruppierungen.

Krysmanski: Es gibt sicherlich solche Mikronetzwerke, von denen die Öffentlichkeit noch gar nichts erfahren hat, die relevanter sind als der Bilderberg-Club. In ihm hat ja Henry Kissinger eine wichtige Rolle gespielt, und die hat er sicherlich in den letzten Jahren weiterzuspielen versucht, nur ist er nicht mehr die zentrale Figur, er war es mal für solche strategischen Überlegungen. Ich denke, dass heute, ich weiß es nicht, aber es gibt Indizien, dass heute die Neokonservativen in den Vereinigten Staaten an der Fortsetzung des Bilderberg-Club-Geschehens kein großes Interesse haben, weil die Strategie der Konservativen in den USA von einem festgefügten nicht mehr diskussionsbedürftigen Weltbild ausgeht, also gar nicht mehr mit anderen zu diskutieren braucht, sich sicherlich auch in informellen Zirkeln ihrerseits in den konservativen Denkfabriken, die es dort gibt, die auch immer größer geworden sind, verständigt hat, und sich sozusagen jetzt mit den Europäern, und der Bilderberg-Club war ja ein Verständigungsbereich, vor allem was die Europäer angeht, gar nicht mehr verständigen wollen.

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